Weniger ist schwer: Produktivität & ihre Tücken

Artista | Maria Chiariello

24. April 2024

Wir können verdammt viel arbeiten, ohne dass wir am Ende des Tages irgendetwas geschafft haben.

Wenn dir das bekannt vorkommt, dann hast du ein Problem mit deiner Produktivität, oder?

Uhr vor dem Kopf
Wie ist dein Zeitmanagement so? | Bild: Rodolfo Barreto

Zumindest wird es das sein, was du als Erstes vermutest. Aber ist dem wirklich so? Wie alle selbstständigen Kreativen treibt auch mich das Thema Produktivität und Zeitmanagement regelmäßig um. Und wie alle, habe auch ich das Netz nach Lösungen durchforstet.

Es gibt unzählige Ratgeber zu diesem Thema. Die „Selbstoptimierungsbranche“ ist schließlich eine der stärksten überhaupt. Immer wieder ploppen Kern-Botschaften aus dem Produktivitätskosmos in auf den sozialen Medien auf, werden von diversen Coaches aufgeschnappt und minimal abstrahiert weiter geteilt. Das Thema Produktivität ist besonders unter Unternehmern ein Dauerbrenner.

Zeit das Thema also mal etwas genauer zu beleuchten.

Produktivität boomt

Die aktuell bekanntesten Bücher sind laut Internetrecherche folgende:

  • „Die 7 Wege zur Effektivität“ von Stephen R. Covey: bietet dir Prinzipien und Strategien für persönlichen und beruflichen Erfolg
  • „Wie ich die Dinge geregelt kriege” von David Allen: bietet dir praktische Strategien für dein Selbst- und Zeitmanagement (im Vordergrund steht die Getting Things Done (GTD)-Methode)
  • “Eat that Frog” von Brian Tracy: hier erhältst du 21 Wege an die Hand, um das Aufschieben zu überwinden und in weniger Zeit mehr zu erledigen
  • “Weniger bringt mehr” von Leo Babauta: Die Kunst, sich durch Minimalismus auf das Wesentliche zu beschränken
  • “Das 80/20-Prinzip” von Richard Koch: Mehr Erfolg mit weniger Aufwand (basierend auf dem Pareto-Prinzip)

Ich würde definitiv noch „The One Thing“ von Gary Keller nennen, welches eine Anleitung darstellt und dir konkrete Strategien an die Hand gibt, die du gleich umsetzen kannst. Weiter unten mehr dazu.

Obgleich ich nicht alle Bücher gelesen habe, so sind mir die Ideen dahinter klar. Ich habe im Laufe der Jahre unzählige Videos zu dem Thema gesehen, viel aus eigener Erfahrung gelernt und meine eigenen Strategien entwickelt. 

Im Kern sagen schließlich alle Produktivitätsratgeber das Gleiche aus:

  1. Fokussiere dich auf das Wesentliche, vermeide Ablenkungen und setze Prioritäten!
  2. Entwickle positive Gewohnheiten, organisiere deine Zeit und werde effizienter!
  3. Bezwinge deinen inneren Schweinehund, hör auf mit den Ausreden und der Prokrastination!

Kurzum: Mach eine Sache, mach sie richtig! Steck deine Energie und Zeit in die damit verbunden wichtigste Aufgabe und vermeide an mehreren Sachen gleichzeitig zu arbeiten.

Warum sind wir so unproduktiv?

Schön und gut – klingt alles irgendwie logisch. Wieso aber verdammt nochmal, tun wir uns dabei so unfassbar schwer?

Das Problem ist, dass wir häufig gegen unsere eigenen kognitiven Anlagen arbeiten.

Das beliebte „Multitasking“ z.B. ist ein Trugschluss. Die Wissenschaft ist sich lange einig, dass Multitasking extrem ineffizient ist. Das Gehirn erfährt regelrechte Leistungseinbußen, da es kognitiv immer wieder von einer Aufgabe zur nächsten springen muss und diese nicht simultan erledigen kann. Im Prinzip kostet dich der ständige Wechsel zwischen den Aufgaben unterm Strich sogar mehr Konzentration. Es ist erwiesen, dass du die Aufgaben dadurch weniger gut ausführst, als wenn du sie nacheinander abarbeitest.¹

Hinzu kommt – und das spielt besonders bei David Allen und „Wie ich die Dinge geregelt bekomme“ eine große Rolle – dass wir mit unserem Fokus leider immer wieder zu Dingen wandern, die noch auf der To-Do-Liste stehen, sprich: noch unerledigt sind. Laut Allen blockieren diese offenen Aufgaben regelrecht unseren Geist, weil unsere Gedanken immer wieder dahin wandern und wir damit vom Fokus abdriften. Die Lösung besteht für Allen aus einer 5 Stufen-Methode zum Abarbeiten von offenen Aufgaben:

  1. Sammeln, 2. Verarbeiten, 3. Organisieren, 4. Durchsehen, 5. Erledigen

Willens- und Entscheidungskraft sind begrenzte Ressourcen

Ein weiterer Fehler, den wir ohne sinnvolle Strategien in Sachen Produktivität häufig machen, ist der, dass wir davon ausgehen unendlich viel Willenskraft zu besitzen. Doch dem ist nicht so: Willenskraft ist eine begrenzte Ressource. Ähnlich wie der Akku deines Smartphones, nimmt die Willenskraft über den Tag verteilt ab. Wenn du also z.B. morgens noch motiviert aus dem Bett gesprungen bist, um dich deiner Arbeit zu widmen, kann das ein paar Stunden (und Entscheidungen) später schon wieder ganz anders aussehen. Es macht also Sinn, deine wichtigste Aufgabe an den Anfang zu stellen und dich im späteren Verlauf des Tages weniger wichtigeren Dingen zu widmen, die weniger Willenskraft benötigen. Zudem ist wissenschaflich auch erwiesen, dass viele Entscheidungen zu immer schlechteren führen.²

Und überlege nun einmal, was du am Tag alles für Entscheidungen triffst. Von der Frage was du anziehst, über was du kochen willst, wohin du am Wochenende mit den Kindern fährst oder oder… Wir treffen am Tag hunderte Entscheidungen. Davon sind manche sehr wichtig und andere eher unwichtig. Doch das Gehirn unterscheidet nicht in wichtig oder unwichtig. Es laugt nach und nach aus. Die Entscheidungsfähigkeit wird schlechter. Daher macht es auch hier Sinn, wichtige Entscheidungen direkt an den Anfang eines produktiven Tages zu stellen und unwichtige Entscheidungen eher danach anzugehen oder gänzlich zu vermeiden. Es gibt gute Gründe, weshalb erfolgreiche Menschen häufig sehr minimalistisch leben und jeden Tag das Gleiche tragen oder Essenspläne führen, nach denen sie einkaufen und kochen. Damit minimieren sie diese „unnötigen“ Entscheidungen, um sich auf die wichtigen konzentrieren zu können. Das Schöne ist, dass sich Willenskraft trainieren lässt. Mit diversen Strategien lässt sich das Depot somit vergrößern.³ Weiterführende Literatur dazu findet ihr unten angehangen.

Was ist dein Ding?

Und wenn wir nun an Gary Keller und sein Buch „The One Thing“ denken, machen wir nicht irgendwie das komplette Gegenteil? Keller’s Hauptaussage ist „Erfolg gründet sich nicht auf die vielen Dinge, die man tut, sondern auf die wenigen Dinge, die man außergewöhnlich gut macht.“

Es ist also ein trügerisch zu denken, alles, was du machst, um beruflich weiterzukommen habe die gleiche Wichtigkeit. 

Nehmen wir an, du bist Singer-Songwriter. Dann ist deine Sache das Schreiben von Songs. Wenn du Autor*in bist, dann ist deine Sache das Schreiben von Büchern. Wenn du performative*r Künstler*in bist, dann ist deine Sache das Trainieren deiner performativen Skills.

Wie viel Zeit wendest du effektiv täglich dafür auf? Und viel Zeit versenkst du z.B. stattdessen im Erstellen von Content für die sozialen Medien? Ich höre immer wieder von Kreativen, die kaum Zeit in ihre eigentliche Tätigkeit investieren können, weil sie hauptsächlich mit ihrer Promo und den Bespielen der sozialen Medien beschäftigt sind. Denken wir an Keller, läuft da etwas gewaltig schief.

Zugegeben, was solche Ratgeber gerne außen vor lassen, ist die Frage, wovon du eigentlich lebst. Bist du finanziell abgesichert, dann kannst du von heute auf morgen Dinge über den Haufen werfen, neue Strategien umsetzen und dich voll und ganz auf deine Selbstoptimierung stürzen. Was ist aber, wenn du dich noch am Anfang deiner Unternehmung befindest und noch nicht so viele Aufträge hast, die dich ausreichend absichern?

Wenn du Singer-Songwriter bist und nebenbei noch in diversen anderen Bands mitspielen musst, weil du sonst nicht über die Runden kommst, dann ist es natürlich erstmal ungünstig dich nur noch aufs Schreiben von Songs zu konzentieren (solange diese nichts abwerfen).

Wenn du Autorin bist, aber deine Abverkäufe nicht der Rede wert sind und du deshalb noch einem anderen Job nachgehen musst, dann hilft dir Kellers „One Thing“ nur bedingt. Aus finanziellen Gründen musst du solange zwei Jobs gleichzeitig machen, bis du von deinem Schreiben leben kannst.

Aus einer anderen Perspektive betrachtet kann Kellers obige Aussage auch ein Appell sein, sich zu spezialisieren. Wenn es um Erfolg geht, dann gibt es immer wieder Charaktere, die eine Idee nach der nächsten raushauen, in der Hoffnung, dass irgendetwas davon irgendwann zündet. Die Krux ist aber, dass keine der Sachen wirklich richtig gut werden kann, wenn sie immer nur parallel läuft und quasi geteilte Aufmerksamkeit genießt. Wir kennen alle das Phänomen mehrerer gleichzeitig laufender Projekte: irgendeines bleibt zwischenzeitlich wieder immer auf der Strecke. Es fehlt schlichtweg die Zeit und Energie jedes dieser Projekte sorgfältig voranzutreiben. Deshalb wird empfohlen zu priorisieren und sich für eine „Hauptsache“ zu entscheiden.

Und was ist mit mehreren „Dingern“?

Was ist aber,  wenn du eben – aus Gründen – mehrere Projekte hast und dir alle gleichermaßen wichtig sind? In meinem Fall z.B. ist das so. Ich bin Künstlerin und Mentorin. Ich betreibe Artista als meine Mentoring-Sparte, bin aber auch Teil von mitossi, meinem Künstlerduo und engagiere mich für kulturelle Teilhabe (Crazy Heart Tour). Aus Erfahrung kann ich sagen, es ist nicht immer einfach die Projekte parallel gleichwertig am Laufen zu halten. Ich muss also unter den Projekten priorisieren und mich phasenweise dem einen oder anderen intensiver widmen. Der entscheidende Schlüssel war für mich, die Projekte als Teil meiner Personal Brand zu betrachten, wie drei Seiten ein- und derselben Medaille. Unterm Strich geht es bei allen drei Projekten um Kunst & Kultur. So kann ich sie wunderbar „mitziehen“. 

Wenn du also emotional an mehreren Projekten festhältst und diese (mehr oder weniger) parallel managen willst, dann empfehle ich dir, die Gemeinsamkeiten unter den Projekten zu suchen. Mach dir klar, dass du der Dreh- und Angelpunkt deiner Projekte bist. Deine Personal Brand kann dein Facettenreichtum gern widerspiegeln. 

Einfach ist manchmal ziemlich schwer

Ein weiterer interessanter Aspekt in Ratgebern rund um das Thema Erfolg und Produktivität ist die „Einfachheit“. Ausnahmslos alle Werke sprechen davon, Komplexität zu vermeiden und mithilfe klarer Prinzipien eine simple Sache zu verfolgen.

Das beißt sich mit der verbissenen Einstellung, dass Erfolg nur durch Anstrengung und Mühe zu erreichen sei. In dem Kontext zitiere ich gerne Friedrich Hundertwasser, der bereits wusste: „Wirklich, es ist der einfache Weg, der mühelose Weg, und der mühelose Weg führt zum Erfolg. Der mühevolle Weg, der steinige Weg, führt in den Untergang.“

An der Stelle beißen wahrscheinlich viele von euch bereits auf Granit. Wie jetzt, Erfolg kommt nicht von harter Arbeit?

Wenn es nach Produktivitätsprofis geht, dann definitiv nicht. Denn was anstrengend und mühselig ist, zerrt an unserer Willenskraft und unserem Durchhaltevermögen. Wenn wir keine Freude an einer Sache verspüren, dann wird es zum Kampf – früher oder später werden wir aufgeben. Wenn wir aber stattdessen Leidenschaft verspüren, eine Sache gerne machen und diese leicht von der Hand geht, dann fällt es uns nicht schwer diese kontinuierlich durchzuziehen.

In diesem Kontext ist das Pareto-Prinzip (auch bekannt als 80/20-Regel oder Pareto-Effekt) interessant. Es besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse mit nur 20 Prozent des Aufwands erreicht werden können. Die verbleibenden 20 Prozent der Aufgaben erfordern hingegen etwa 80 Prozent der Ressourcen und Arbeitszeit. Es leuchtet also ein, dass wir nicht viel, sondern effektiv arbeiten müssen, um produktiv und erfolgreich zu werden.

Fazit

Produktivität gilt als Schlüsselindikator für beruflichen und persönlichen Erfolg. 

Ein produktiver Arbeitstag fühlt sich erfüllend an und gibt uns das Gefühl auf dem richtigen Weg zu sein. Für Solo- und Entrepreneure ist ein gutes Selbst- und Zeitmanagement das A und O. Fehlt es an entsprechender Organisation, vertut man wertvolle Energie und büßt sowohl Zeit als auch Leistung ein. Ablenkungen, unerledigte oder aufgeschobene Aufgaben, ein unklarer Fokus und mangelnde Prioritäten, sind dafür verantwortlich, dass du nur ein Bruchteil von dem schaffst, was du eigentlich leisten könntest.

Durch Strategien und das Ausrichten auf eine wesentliche Sache („Das eine Ding“) sowie das Weglassen unnötiger Aufgaben, kannst du deine Produktivität Stück für Stück steigern und wie einen Musikel trainieren. So wirst du nachhaltig produktiver und wahrscheinlich auch erfolgreicher. 

Ich hoffe, dass ich dir mit diesem Artikel einen Überblick über das Thema „Produktivität“ geben konnte. Solltest du Fragen haben oder Lust dich mit mir auszutauschen, dann sende mir gern eine Nachricht! 

Artista

Artista | Maria Chiariello

Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.

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