Künstler & Kommerz. Beziehungsstatus: kompliziert.
Sobald sich Künstler*innen miteinander unterhalten, beklagt früher oder später eine*r davon die Kommerzialisierung von Kunst.
Doch, was ist eigentlich gemeint mit dieser ominösen „Kommerzialisierung“ – und warum stellt sie für viele Künstler*innen so ein großes Problem dar?
Kommerzialisierung bedeutet die Übertragung von kaufmännischen Prinzipien auf künstlerische Bereiche, um diese ähnlich wie ein gewinnorientiertes Unternehmen zu führen. Dabei beeinflussen wirtschaftliche Interessen, ideelle oder kulturelle Werte.
Kommerz ist ein veralteter Ausdruck für Handel. Heutzutage ist der Begriff allerdings vorwiegend negativ konnotiert und wird häufig als Profitgier verstanden.¹
Wer kommerziell denkt, der hat nur Profit im Sinn – so die Kritik.
Viele Künstler*innen heutzutage möchten sich gerne davon abgrenzen und ihre Kunst nicht den Gesetzen des Marktes unterwerfen. Sie verstehen Kunst als Gegenpol zu Kommerz und positionieren sich ganz klar dagegen. Das gilt aber nicht für alle Künstler*innen. Und schon lange nicht immer.
In der Renaissance waren Künstler*innen häufig auch Geschäftsleute, die ihre Werke vermarkteten. Insbesondere im 19. Jahrhundert nahm das „künstlerische Unternehmertum“ Fahrt auf, da der Wohlstand stieg und sich ein bürgerliches Publikum entwickelte.
Größen wie Picasso, Rembrandt, Shakespeare wussten sich und ihre Kunst gewinnbringend zu verkaufen. Mozart, Händel, Liszt und viele weitere verdienten ihr Geld mit Auftragskompositionen und waren angesehene Hofkomponisten.
Die Abneigung gegenüber dem Kommerz ist also eine eher neumodische Erscheinung. Der Anspruch, Kunst völlig frei von wirtschaftlichen Interessen zu betrachten, war nicht immer so verbreitet.
Und das romantisierte Bild vom Künstler, der von Luft & Liebe lebt, den wird es wahrscheinlich in der Form nie gegeben haben.
Die heutige Künstlerwelt scheint sich in Bezug auf die Kommerzialisierung in drei Lager zu teilen:
Das konservative Lager, welches Kommerz vehement ablehnt und Kunst völlig losgelöst davon betrachtet und damit aber auch darauf verzichtet, die eigene Kunst zu monetarisieren.
Das unschlüssige Lager, was Kommerz als notwendiges Übel betrachtet und sich nur widerwillig unterordnet, weil es schließlich von seiner Kunst leben möchte. Allerdings regelmäßig bemängelt, dass ihnen die Marktregeln die künstlerische Freiheit raube.
Und dann die Künstler*innen, welche in der Kommerzialisierung regelrecht die Chance sehen, ihre Kunst einem breiteren Publikum zur Verfügung zu stellen. Sie gehen davon aus, dass kommerzieller Erfolg erst möglich mache, dass sie ihren Traum vom Künstlersein realisieren können.
Der Kunstmarkt ist dabei meist die erste zentrale Anlaufstelle für Künstler*innen, wenn sie mit ihrer Kunst Geld verdienen möchten, sowie auch das Feindbild vieler „strikterer“ Künstler*innen, die die Regeln kritisieren, nach denen dieser funktioniere.
Bestehend aus Galerien, Museen, Messen und Aktionen, bietet der Kunstmarkt den Begegnungsraum zwischen Künstlern und Sammlern. Geprägt ist er allerdings durch einen institutionalisierten Charakter, der eigene Maßstäbe ansetzt und somit nur einem kleinen Teil von Künstlern überhaupt zugänglich ist. Wie jeder Markt spielen wirtschaftliche Interessen die größte Rolle. Das hat zur Folge, dass Künstler ohne Renommee oder entsprechende Kontakte, keinen Zugang in bestimmte Kreise erhalten. Zudem orientiert sich der Kunstmarkt stark an Trends und dem Geschmack der „Massen“, sodass Künstler in ein bestimmtes Raster passen müssen, wenn sie einen Fuß in die Tür kriegen möchten. Das übt natürlich einen riesigen Druck aus, da künstlerische Freiheit zulasten von sich gut verkaufenden Werken weichen muss.
Der Wert eines Kunstwerks wird damit verzerrt: Kunstwerke werden oft als Investitionen betrachtet, anstatt als Ausdruck von Ideen und Emotionen.
Im Musikbusiness werden die Auswüchse von einer solchen profitgetriebenen Sichtweise natürlich am stärksten sichtbar. Das Resultat sind „glattgebügelte“ Tracks einer Popkultur, die alle gleich klingen und keinerlei künstlerische Seele mehr haben.
Eine berechtigte Kritik also.
Doch welche Alternative bleibt einem Künstler außerhalb von Kunstmarkt und Kommerz? Lässt sich dann überhaupt noch von Kunst leben?
Die Antwort lautet Ja und Nein. Natürlich ist es möglich, von seiner Kunst zu leben, ohne seine Seele an den Kunstmarkt zu verlieren. Allerdings ist es nicht möglich, mit seiner Kunst Geld zu verdienen, wenn man jede Art von Handel (Verkauf) ablehnt.
Wohl oder übel wirst du als Künstler, welcher von seiner Kunst leben will, also einen Kompromiss finden müssen. Verkauf der eigenen Leistung bedeutet nicht gleich Kommerzialisierung und Profitgier.
Ich persönlich unterscheide zwischen Mainstream & Nischenmarkt. Für mich ist der Mainstream der Inbegriff von „Kunst- und Kulturindustrie“, welchem ich ungern angehören möchte.
Da ich Geld nie an die erste Stelle setze und mir meine künstlerische Freiheit sehr wichtig ist, fühle ich mich in Nischen und „Subkulturen“ wohler. Dort kann ich mein eigenes Ding machen. Ich habe kein Problem damit, künstlerische und kreative Leistungen wirtschaftlich zu betrachten und ein Preisschild daran zu hängen. Das bedeutet für mich noch lange nicht, dass ich meine Kunst oder meine kreativen Leistungen kommerzialisiere. Solange Werte und Prinzipien im Vordergrund stehen, sehe ich kein Problem darin, ein Geschäft daraus zu machen. Es gibt heutzutage viele wertebasierte Unternehmen, die beweisen, dass Geld verdienen und ethisch/moralisch korrekt zu handeln, sich nicht widersprechen müssen.
Ich finde es großartig, wenn kreative Menschen von ihren Fertigkeiten leben können. Daher tu’ ich mich schwer, wenn radikale Kandidaten Kunst gerne als Antiestablishment betrachten möchten, welches völlig losgelöst agiert. In unserem aktuellen System wird das – ohne anderweitige finanzielle Absicherung oder den Extremfall: Leben als Aussteiger*in ohne Geld – nicht realisierbar sein.
Ich bin ein großer Fan des bedingungslosen Grundeinkommens. Damit wäre die Chance gegeben, dass künstlerische und kreative Arbeit sich dem Druck des Geldverdienens zumindest teilweise entziehen könnte. Das wäre ein Ansatz. Aber aktuell ist es leider nur eine Utopie.
Und auch die öffentliche Kulturfinanzierung in Form von Förderungen, die es aktuell gibt, stellt bedauerlicherweise nur einen Tropfen auf einem heißen Stein dar.
Aktuell ist das „Kleinunternehmertum“ die beste Option, die wir haben, wenn wir als kreative Selbstständige keinen Bock auf Mainstream und Kommerz haben.
Lies gerne meinen Artikel zum Thema Kreativ selbstständig? Vergiss Mainstream, Nische ist King!, wenn du dich näher mit Marktnischen im kreativen Bereich beschäftigen möchtest.
Die Beziehung zwischen Künstler*innen und Kommerz ist komplex und vielschichtig. Während einige Künstler*innen den Kommerz heutzutage als Feindbild und Gegenpol der Kunst betrachten, sehen andere darin eine Chance, ihre Arbeit einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Der Kunstmarkt spielt dabei eine entscheidende Rolle. Aber auch andere Bereiche bieten Künstler*innen Möglichkeiten, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen: z.B. Nischenmärkte.
Alle Künstler*innen, die ihre Kunst und Fertigkeiten monetarisieren möchten, werden einen individuellen Weg mit dem komplexen Thema der Kommerzialisierung finden müssen. Doch Geld mit seiner Kunst zu verdienen heißt noch lange nicht, dass es nur noch um Profit gehen muss.
Der Wunsch sich als Künstler*in vom Kommerz abzugrenzen ist eine eher junge Entwicklung, die aus unserem aktuellen Wohlstand und dem System resultiert, in welchem wir leben. In der Renaissance und im 19. Jahrhundert war die Kommerzialisierung von Kunst kein großes Thema, im Gegenteil: Künstler*innen waren sehr etablierte Geschäftsleute und vermarkteten sich und ihre Arbeit gezielt.
Quellen und weiterführende Links:
Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.
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