Selbstständige Künstler*innen haben viele Gesichter

Artista | Maria Chiariello

12. Mai 2024

Wann ist ein Künstler selbstständig? Wenn er sich beim Finanzamt freiberuflich meldet? Kunst verkauft? Ein Gewerbe anmeldet? 

Selbstständigkeit im Kunstsektor kann viele Gesichter haben.

Straßenmusiker am Klavier
Straßenmusiker bei der Arbeit | Bild: Josh Appell

Nachdem ich meinen dreiteiligen Leitfaden zum Thema „Als Künstler selbstständig machen: die unternehmerische Seite“, schrieb, fiel mir auf, wie vielfältig die Selbstständigkeit im künstlerischen Bereich aussehen kann. 

Selbstständigkeit = seriöses Image?

Da ich selbst eher der Typ bin, der Wert auf ein professionelles Image legt, sind mir Dinge wie eine gepflegte Webseite oder eine gewisse Social Media Präsenz wichtig. Folglich investiere ich auch eine Menge Zeit in diesen Bereich, den ich eher als die unternehmerische Seite der Kunst betrachte. 

Natürlich kann man an der Stelle kritisieren, dass das lediglich meiner Außenwirkung dient und mit meiner eigentlichen Tätigkeit als Berufskünstlerin erstmal wenig zu tun hat. Meine drei Artikel können den Anschein erwecken, als würde die Kunst immer nur den kleineren Teil ausmachen, wenn man sich selbstständig macht. Das kann durchaus so sein, muss es aber nicht. 

Das Verhältnis von Kunst vs. „Drumherum“ ist in der Selbstständigkeit ein wichtiges Thema. Viele Künstler*innen machen sich selbstständig, weil sie eben die meiste Zeit ihres Tages in ihre Kunst investieren wollen. Und das ist absolut legitim und möglich! 

Daher möchte ich an dieser Stelle nochmal andocken und mich diesmal auf die künstlerische Seite der Selbstständigkeit konzentrieren. 

In meinem zweiten Artikel Als Künstler selbstständig: Reality Check (Teil 2) stelle ich die Formel von 80 % zu 20 % auf. Ich behaupte, dass die „unkreativen“ Aufgaben rund um die Selbstständigkeit (Papierkram, Vermarktung, Social Media etc.) etwa 80 % der Zeit einnehmen, während sich die künstlerische Arbeit (also das Eigentliche!) auf max. 20 % beschränke. 

Lange Jahre bin ich davon ausgegangen, dass dies so sei und es keine Möglichkeit gäbe, dies zu ändern. Vor allem nicht, ohne Arbeit auszulagern oder eine Agentur zu beauftragen, die sich um meine Promo kümmere… 

Selbstständigkeit hat viele Gesichter

Was ich im zweiten Artikel (und in meinem Leitfaden generell) außen vor gelassen habe, sind die vielen, verschiedenen Gesichter, die eine Selbstständigkeit haben kann. Und zwar abseits von dem, was wir uns darunter häufig ausmalen. Ich gebe zu, dass mein Leitfaden eine sehr konventionelle Sicht auf die künstlerische Selbstständigkeit zeichnet und das, obwohl ich versucht habe, es so differenziert wie möglich zu betrachten. 

Die Wahrheit ist: du brauchst kein „seriöses Image“, eine Webseite oder Social Media, um ein selbstständiger Künstler zu sein. 

Denken wir z.B. an die ganzen Sessionmusiker oder Straßenkünstler? Sind das keine selbstständigen Künstler*innen? Irgendwie werden diese gerne vergessen, wenn es um „Businesskontexte“ geht. Klar, bei Business denken wir doch eher an Anzüge und Lackschuhe statt Klampfe und Straße.  

Dabei bedeutet Selbstständigkeit lediglich eine Formalität: das Ausüben eines unabhängigen Beschäftigungsverhältnisses, was mit dem Zahlen diverser Steuern und weiterer rechtlicher Verpflichtungen einhergeht. Das war’s. 

Sich zu vermarkten, eine hübsche Webseite aufzusetzen und die sozialen Medien zu bespielen sind lediglich eine Strategie, die darauf abzielt, die potenzielle Zielgruppe zu erreichen und Kunden zu generieren. Es ist das, was wir in einer Selbstständigkeit tun, weil wir damit unsere Existenz zu sichern versuchen. Aber das ist nur ein Weg von vielen. 

Viele Wege führen zum Ziel

Um mich an der Stelle einmal selbst zu kritisieren: Vermarktung KANN den größten Teil einer künstlerischen Selbstständigkeit ausmachen – und viele junge Künstler*innen bestätigen dies jeden Tag, in dem sie sich in Fließbandarbeit z.B. die sozialen Medien bespielen, aber es ist kein Muss

Die Vermarktung als selbstständiger Künstler kann auch ganz anders aussehen und eher passiv ablaufen. 

Ein Straßenmusiker z.B., der ein paar wenige Stunden seines Tages auf der Straße verbringt und dort öffentlich spielt, kann eine extreme Werbewirksamkeit haben, einfach weil er von vielen Menschen gesehen wird. Zudem verbringt er seine Zeit mit dem, was er gerne tut, nämlich mit dem Musizieren vor Publikum und macht sich um das „drumherum“ erstmal gar keine Gedanken. Wenn er einen Hut aufstellt, nimmt er am Ende des Tages sogar etwas Geld mit nach Hause. 

Während jemand, wie ich, womöglich den ganzen Tag zu Hause vor dem Laptop sitzt, Blogartikel schreibt, auf den sozialen Medien herumscrollt und weder etwas Künstlerisches macht noch einen Cent verdient. 

Zwei selbstständige Künstler – und zwei vollkommen verschiedene Welten. Ich denke, es wird deutlich, worauf ich hinauswill. 

Wo liegen deine Prioritäten?

Wie das Verhältnis zwischen Kunst und unternehmerischer Seite ausschaut, ist also als selbstständige*r Künstler*in vor allem eine Frage der Priorität. 

Es gibt so viele Bücher, die von/für Kreative geschrieben wurden und sich mit dem Spagat zwischen Unternehmertum und künstlerisch-kreativem Schaffen beschäftigen. Es ist eine Herausforderung, die es für sich individuell zu lösen gilt. 

Meine persönliche Erfahrung ist, dass wir als Künstler*innen häufig einen falschen Fokus haben. Sobald wir uns professionalisieren (sprich: unsere Kunst zum Beruf machen) bekommt das Geldverdienen einen extrem hohen Stellenwert. Ab dem Zeitpunkt wird alles danach ausgerichtet. Wir ordnen dem Ganzen sogar die Kunst selbst unter. 

Wie oft lese ich von Künstlern, die Nahe dem Burnout sind, weil sie ohne Ende Content für die sozialen Medien produzieren und dabei kaum Zeit für ihre eigenen, künstlerischen Projekte haben. Sorry, aber da läuft gewaltig was falsch. 

An der Stelle empfehle ich meinen Artikel: Erfolgreich als Künstler ohne Social Media?

Mittlerweile gehe ich sogar so weit zu denken, dass sich als Künstler*in selbstständig zu machen bedeuten sollte, seine Kunst bzw. die künstlerische Weiterentwicklung an die erste Stelle der Prioritätenliste zu setzen und alles andere dem unterzuordnen. Ich weiß, dass das eine Kunst für sich ist. 

Dein Ziel bestimmt den Weg

Letzten Endes musst du dir immer die folgenden zwei Frage stellen: „Wo will ich hin?“ und „Was muss ich dafür tun?“ 

Wenn dein Ziel ist, damit soviel Geld zu verdienen, dass du über die Runden kommst, dann wirst du das mit ein wenig Fleiß und Kontinuität erreichen. Du musst dafür nicht sonderlich gut sein. Die Dienstleistungsbranche ist diesbezüglich sehr dankbar, da du auch als „Mittelmaß“ darin eine Nische finden kannst. 

Anders sieht das aus, wenn du ganz hoch hinaus willst. Da ist Qualität essenziell. Wenn du nicht gut genug als Künstler*in, Musiker*in, Producer*in etc. bist, dann wirst du scheitern. Es hilft dir also nicht, wenn du meinetwegen von Auftragsarbeiten ganz gut leben kannst, wenn du davon träumst große Arenen zu bespielen. 

Du würdest dich wundern, wie viele Künstler*innen (inklusive mir) einen bestimmten Traum haben, aber jahrelang in komplett konträre Richtungen arbeiten, einfach weil sich irgendwas (meist Geldverdienen) in den Vordergrund schiebt. 

Den Fokus nicht zu verlieren, ist das Schwerste, wenn du auf etwas hinarbeitest. 

Fazit

Selbstständigkeit ist nicht gleich Selbstständigkeit. Es gibt im künstlerischen Bereich so viele Facetten und Möglichkeiten, seine künstlerischen Fertigkeiten zu professionalisieren. Es muss kein konventioneller Weg sein – nicht mal ein seriöses Image mit einer Webseite oder entsprechende Social Media Präsenz ist nötig, um als Künstler*in Geschäfte zu machen. 

Vermarktungsstrategien können unterschiedlich aussehen und es lohnt sich auch mal, um die Ecke zu denken. Social Media und Content Creation ist ein Weg von vielen, den du wählen kannst.

Straßenmusiker*innen beweisen, dass es auch ganz „simpel“ funktionieren kann.

Letztlich ist es immer eine individuelle Entscheidung, wie die eigene Selbstständigkeit als Künstler*in aussehen soll und welche Dinge einem wichtig sind. Lass dich also nicht verrückt machen von der „unternehmerischen Seite“ der Kunst und vergiss neben deiner Existenzsicherung nicht, weshalb du tust, was du tust. 

Solltest du mit dem Gedanken spielen, dich selbstständig zu machen, aber noch unschlüssig sein, wie das Ganze aussehen kann und ob deine Idee überhaupt realistisch ist – dann biete ich dir gern mein „Quick & Dirty Feedback“ an. In einer Telefonsession klären wir all deine Fragen und bringen schnell Klarheit in dein Kopfchaos. 

Artista | Maria Chiariello

Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.

Einer meiner Artikel hat dich weitergebracht? Du hast Lust mehr über meine Künstlerreise zu lesen? Du willst mich unterstützen? All das, kannst du auf der Community-Plattform Ko-Fi

Artista Newsletter