Bei der Verbindung zwischen Wirtschaft und Kunst denken die meisten zunächst an zwei konträre Bereiche, die wenig gemeinsam zu haben scheinen.
Wirtschaft wird mit Geldhandel assoziiert, während bei Kunst eher an kreative Ausdrucksformen gedacht wird. Wie soll das zusammengehen?
Mit diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, dass Wirtschaft und Kunst mehr gemeinsam haben, als wir denken – und dass Kunst weit über ästhetische Ausdrucksformen hinausgeht und eine wertvolle Ressource für aufstrebende Unternehmen darstellen kann.
Zunächst einmal gilt es Kunst in diesem Fall zu spezifizieren. Wenn ich von Kunst spreche, dann meine ich damit jegliche kreative Ausdrucksweisen und vor allem, die künstlerische Herangehensweise, die sich dahinter verbirgt. Es geht mir also nicht um den Nutzen, der davon ausgeht, wenn z.B. in einem Bürokomplex Statuen und Kunstwerke ausgestellt werden, sondern um den Einfluss künstlerischer Interventionen beispielsweise in einem Unternehmen.
Es geht mir um die Potenziale, die durch konkrete Berührungspunkte zwischen Künstlern und wirtschaftlichen Unternehmen freigesetzt werden können.
Künstlerische Interventionen können verschiedenartig aussehen. So kann damit z.B. Co-Creation zwischen Unternehmensmitarbeitern und Kreativschaffenden gemeint sein.
Immer mehr innovative Unternehmen verabschieden sich vom klassischen Unternehmertum und suchen Schnittstellen zu anderen Bereichen, um neue Perspektiven zu gewinnen. Die neue „VUCA-Welt“ [ Akronym für Volatility (=Volatilität), Uncertainty (=Ungewissheit), Complexity (=Komplexität) und Ambiguity (=Ambiguität)] braucht Mitarbeiter*innen, die Neugierde, Kreativität und Engagement mitbringen. Unternehmergeist ist gefragt, um Innovationen und Wettbewerbsvorteile schaffen zu können.
Geschäftsführer*innen schauen ehrfürchtig auf große Vorbilder wie Steve Jobs oder Richard Branson, die sich durch Kreativität, Freigeist und ihre Autonomie auszeichnen. All diese Eigenschaften finden sich bei Künstler*innen ebenfalls wieder. Unternehmer*innen sind konstant auf der Suche nach Inspirationsquellen aus Kunst und Co, um dem Anders-Denken näherzukommen.
In Folge ein paar konkrete Beispiele und Fragen einer künstlerischen Herangehensweise:
Die wohl wichtigste Gemeinsamkeit, die Künstler*innen und Unternehmer*innen (sowie Selbstständige) teilen, ist der innere Schaffensdrang. Beide haben den Wunsch, etwas Neues, einzigartiges in die Welt zu bringen. Sowohl Künstler*innen als auch Unternehmer*innen sind intrinsisch motiviert.
Kreativität, Ideenreichtum, Innovation und Visionen spielen sowohl in Kunst als auch Wirtschaft eine große Rolle. Wir leben längst in einer Zeit, in der auch Produkte & Marken Kultstatus erreichen können. Sowohl Künstler*innen als auch Unternehmer*innen träumen von solch einer Begeisterung für „ihr“ Projekt.
Zudem liegt beiden Bereichen die Zielstrebigkeit inne: Während Künstler*innen ihre künstlerische Vision verfolgen, nehmen Unternehmer*innen mit der gleichen Intensität geschäftliche Ziele ins Visier. Beide Gruppen arbeiten auf ihre Weise hart daran, ihre Ziele zu erreichen.
Wirtschaft folgt häufig grundsätzlich einer linearen, profitorientierten Denkweise.
So gut wie jedes Unternehmen, welches ich kenne, möchte gern innovativ und dynamisch sein, komplexe Sachverhalte leicht verständlich an Mitarbeitende und Kunden vermitteln, eine positive Unternehmenskultur fördern und motivierte Mitarbeiter*innen bei sich beschäftigen, welche mit Engagement und Ehrgeiz dabei sind. Dabei sollen natürlich die Zahlen stimmen, skalierbare Erfolge verzeichnet werden und eine möglichst hohe Krisenresistenz vorhanden sein.
In der Realität sieht es allerdings so aus, dass Abläufe und Fachwissen immer komplexer werden, die Kommunikation innerhalb des Unternehmens oft problematisch ist und das Unternehmen natürlich vielen Marktschwankungen unterliegt. Insgesamt stehen Unternehmen vor einer relativ ungewissen Zukunft, weil sich eben in der Praxis nicht alles im Vorfeld kalkulieren und planen lässt. Volatilität ist vor allem in Hinsicht auf zunehmende Krisen das Stichwort. Dennoch liegt der Fokus von Wirtschaft häufig auf einer möglichst präzisen Prognose. Es wird versucht, alle Eventualitäten so genau wie möglich zu kalkulieren. Doch was ist mit nicht absehbaren Ereignissen?
Die größte Schwäche wirtschaftlichen Unternehmertums liegt in einer fehlenden Flexibilität und Bereitschaft auch mal „waghalsig“ an Dinge heranzugehen bzw. mal etwas dem Zufall zu überlassen. Ergebnisoffenheit ist bei rational orientierten Unternehmen selten vorhanden.
Diese Schwäche kennen Künstler*innen nicht. Denn Kunst arbeitet seit jeher mit den beiden Prinzipien der Neuschöpfung und (schöpferischen) Zerstörung – ein Künstler ist sich bei Beginn einer Arbeit nie eines endgültigen Zieles sicher, vielmehr ist der Weg sein Ziel. Kunstwerke werden nicht gemacht, sie entstehen. Der Künstler ist es gewohnt, mit Ungewissheit umzugehen, dadurch bleibt er beweglich und ist – in schwierigen Zeiten – resilienter. Selbst wenn du ihm sein Kunstwerk nimmst, das künstlerische Denken wirst du ihm nie nehmen können. Das ist seine große Stärke.
Kunst ist frei von Paradigmen & Grenzen und das macht sie besonders für unsere Gesellschaft. Wir sind längst an einem Punkt, an dem klar ist, dass das kapitalistische System ihren Höhepunkt erreicht hat. Wenn wir in Zukunft weiterhin bestehen möchten, dann müssen wir umdenken und die Arbeitswelt bzw. Unternehmenskonzepte neu gestalten. Synergien zwischen Kunst und Wirtschaft können hier fruchtbare Lösungen sein.
Unternehmen, die Kreativität und innovative Denkweisen fördern, sind oft erfolgreicher, da sie in der Lage sind, sich schnell an Veränderungen anzupassen und neue Lösungen für komplexe Probleme zu finden.
Innovative Geschäftsführer*innen wünschen sich zunehmend Mitarbeiter*innen, die Fertigkeiten wie „Kreativität“, „Flexibilität“, „Resilienz“ und „Krisenfestigkeit“ mitbringen. Künstler*innen haben oftmals ebendiese diese Skills.
Sogenannte „Quereinsteiger“ mit künstlerischem Hintergrund können frische Ideen und Perspektiven mitbringen. Mit Planbarkeit und Skalierbarkeit (allein) lässt sich nicht gut wirtschaften – das hat uns die Corona-Pandemie sehr eindrucksvoll vor Augen geführt.
Um in Krisen bestehen zu können, sollten moderne Unternehmen mit Ungewissheit umgehen können und sich schnell auf neue Gegebenheiten einstellen können: Künstler*innen können das! Und das macht sie wertvoll. Statt Unternehmensberater*innen können Kreative in Teams unkonventionelle Ideen einbringen. Statt Social Media Agenturen können Kreativschaffende oder Illustrator*innen für ausgefallene Werbeprojekte & Marketing-Aktionen umsetzen. Große Unternehmen wie Lego oder Apple haben sich das Potenzial künstlerischer Herangehensweisen bereits zunutze gemacht.
Kunst ist von unschätzbarem Wert, wenn es z.B. darum geht, eine kreative Außenwirkung zu erzielen. Aber nicht nur das: auch intern bringen Kreative frischen Wind rein, indem sie konventionelle Strukturen hinterfragen und den Raum für neue Möglichkeiten öffnen. Sie sind die fantastischen, kreativen „Problemlöser“ in einer immer komplexer werdenden Welt.
Kunst ist ein wunderbares Medium und Werkzeug, um Prozesse zu hinterfragen, strategisch die Perspektive zu wechseln und Unternehmenskommunikation neu zu denken. Auch das Unternehmertum erfordert an vielen Stellen Kreativität und Schöpfergeist, es sind definitiv Parallelen zum künstlerischen Schöpfungsprozess vorhanden. Der Hauptunterschied zwischen Kunst und Wirtschaft liegt allerdings in der Perspektive und Einstellung.
Entscheidend für den Erfolg von Kunst im Unternehmenskontext sind das Engagement und die Risikobereitschaft des Unternehmens, über die Kunst (als Medium) neue, kreative Lösungen zu formulieren. Treffen Künstler auf offene und neugierige Unternehmen und Auftraggeber, können sich hieraus sehr wertvolle Projektpartnerschaften (Sparring) entwickeln. Ein echter Mehrwert für beide Seiten. Risikoaverses Verhalten in der Unternehmensführung hingegen ist der Killer für jegliche künstlerische Intervention. Selbst dem hilfebedürftigsten Unternehmen kann in dem Fall auch mit der besten Kunst nicht mehr geholfen werden.
Weiterführende Links:
Seit Jahren setze ich mich für das Potenzial künstlerischer Herangehensweisen in Unternehmenskontexten ein. Ich habe so gut wie jedes Buch und jeden Essay zu der Thematik gelesen, kenne Praxisbeispiele und aktuelle Forschung.
Ich bin überzeugt davon, dass die Symbiose aus Kunst & Wirtschaft Vorteile für beide Seiten bedeutet. Daher hab ich es mir zur Aufgabe gemacht, an ebendieser Stelle zu wirken und Brücken zu bauen.
Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.
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