Was ich als freischaffende Künstlerin gern am Anfang gewusst hätte

Artista | Maria Chiariello

26. April 2024

zwei Schilder, One Way
Der Künstlerweg ist nicht leicht | Bild: Brendan Church

Ein paar Infos vorab (Achtung, jetzt wird’s kompliziert):

Ich komme aus der darstellenden Kunst. 2011 habe ich mich mit meinem Partner zum Künstlerduo „mitossi“ zusammengeschlossen. Wir haben Theaterstücke für Kinder und unterhaltende Shows für öffentliche Veranstaltungen geschrieben, erarbeitet und als Bühnenprogramme verkauft. 

Zu unseren Kunden zählten Veranstalter, Kulturdirektionen, Bildungseinrichtungen, Vereine, Initiativen uvm. Deutschlandweit sind wir über 10 Jahre lang mit unseren Programmen umher getourt und haben verschiedenste Veranstaltungen kulturell bespielt. Unser Geschäft mit den verschiedenen Zielgruppen haben wir dabei in zwei Kategorien eingeteilt „Kinderunterhaltung“ und „Showprogramm“. Das heißt zwei verschiedene Webseiten (zeitweise auch mehr, aber das ist eine andere Story), zwei verschiedene Projekte – die stets parallel liefen. Immer wieder sind wir zwischen den beiden Programmen „Kindertheater“ und „Musikcomedy Show“ hin- und hergesprungen.
Das Kindertheater lief dabei stets besser als unsere Show. Unser Hauptverdienst bezogen wir viele Jahre hauptsächlich aus der Kinderunterhaltung. 

Doch neben unserem Künstlerduo „mitossi“ gab es auch immer die Musik-Sparte meines Partners. Als Berufsmusiker in diversen Combos (Livemusik, Cover, sowie eigenes), natürlich ebenfalls mit seinen eigenen Webseitenauftritten, die sich untereinander auch auf mehrere Seiten aufteilen. 😛 Sowie ab 2020 dann auch meine Mentoring-Sparte mit meiner ersten eigenen Webseite, die ich als Blog und Portfolio all meiner Projekte führte. Mittlerweile gibt es da schon eine zweite Seite. 

Zeitweise waren Kindertheater und Livemusik unsere beiden finanziellen Zugpferde.
Da wir offensichtlich nicht in der Lage sind nur eine Sache zu machen und/oder alles unter einem einzelnen Hut zu vereinen, gesellte sich 2021 ein weiteres Projekt – die Crazy Heart Tour – zu unserem Portfolio hinzu. Zunächst sollte es lediglich die persönliche Reise zweier Künstler sein, die Reise hinter „mitossi“ quasi. Doch im Laufe der Zeit wurde mehr daraus. 

Da uns die Umstände in der Veranstaltungsbranche immer mehr störten und wir zunehmend die Lust an unseren Auftritten in diesem Sektor verloren, entschieden wir uns die Show 2021 aus dem Programm zu nehmen. 2023 sagten wir dann final auch dem Kindertheater als „Buchungskunst“ Adieu.

Die Idee sollte nun sein, beide Projekte „Show“ und „Kinderprogramm“ zum Herzstück der Crazy Heart Tour zu machen. Die Crazy Heart Tour sollte fortan als Sozialunternehmen mit der Mission kulturelle Teilhabe zu fördern, mit unseren Programmen Orte ansteuern, in denen Menschen benachteiligt oder anderweitig passiv oder aktiv ausgeschlossen werden und unter fehlender Teilhabe und Chancengleichheit leiden. Besonders Minderheiten und finanziell schwache Menschen nehmen wir hier in den Fokus. Wir haben in der Vergangenheit zur Genüge Feste bespielt, die nur von Überfluss zeugten und in denen unsere Darbietungen als Selbstverständlichkeiten verpufften. Als Künstler war uns stets daran gelegen, mit unserer Kunst wirklich etwas zu bewegen und Menschen emotional zu erreichen, ihnen eine Freude zu machen und sie zu inspirieren. In einer Wohlstandsgesellschaft geht aber gern der Wert und diese Funktion von Kunst und Kultur leider verloren. Was dann im Eventbereich häufig davon übrig bleibt, ist eine Art pro forma Charakter: kulturelle Höhepunkte als „Status Quo“, um für eine gute Zeit zu sorgen. 

Diese Art und Weise wahrgenommen zu werden ist mir persönlich zunehmend zuwider geworden. Das neue Sponsoring-Konzept hinter der Crazy Heart Tour ist unser Versuch, den Kreis aus „Dienstleistungskunst“ und „Bespaßung“ zu durchbrechen und Kunst wieder die Relevanz zurückzugeben, die ihr gebührt. 

Wenn du mehr dazu erfahren möchtest, dann schau gern hier:  

mitossi | artista | Crazy Heart Tour 

Aber ich drifte ab. Während ich das hier so schreibe, merke ich selbst, wie umfangreich und untereinander verstrickt meine Projekte untereinander sind. Daher lautet die erste Sache, die ich gern bereits am Anfang meiner künstlerischen Laufbahn gewusst hätte:

1. Mach es dir nicht unnötig schwer und drösele deine Projekte nicht in ihre Einzelteile auf!

Ganz ehrlich, es mussten mehrere Jahre ins Land gehen, bis ich so langsam einen Weg gefunden habe, wie ich meine Projekte auf drei reduzieren und sie miteinander verbinden konnte. Denn in gewisser Art und Weise sind es auch nur drei Seiten ein- und derselben Sache. Es dreht sich stets um Kunst, Kultur und künstlerisches Schaffen. Mal aktiv auf der Bühne (mitossi), mal passiv aus unternehmerischer Perspektive (artista) und dann als Medium, um kulturelle Teilhabe zu fördern (Crazy Heart Tour). Stattdessen existierten zeitweise 8 Webseiten, verschiedenste Künstlerprofile, insgesamt eine Handvoll Social Media Profile (jeweils auf verschiedensten Plattform!), die alle parallel bespielt wurden. Kurzum: ich habe verdammt viel Arbeit darin versenkt, diese Infrastruktur überhaupt erst aufzubauen und am Laufen zu halten.

Ich rate dir also, wenn du mehrere Projekte hast, dann versuch‘ diese unbedingt unter einen Hut zu kriegen. Wenn du eher von dir aus, statt von den Projekten aus, kommunizierst, dann ist es wesentlich leichter, deine Inhalte zusammenzuführen. Stichwort: Personal Branding. Du wirst zum Dreh- und Angelpunkt und vereinst deine Projekte. Es wird nicht immer möglich sein, all deine Projekte gleichermaßen vorzustellen oder in einem Atemzug zu nennen. 

Stell dir vor, du bist auf einem Netzwerktreffen und jemand fragt dich, was du machst. Du willst demjenigen nicht erst ein Ohr abkauen und deine drölf „Unternehmen“ nennen (das kann sich dein Gegenüber ohnehin nicht merken!), sondern du willst einen Überblick über dich und deine Angebote geben. In meinem Fall könnte ich in einem Satz sagen: „Bei mir dreht sich alles um Kunst und Kultur. Ich agiere auf der Bühne, unterstütze unternehmerisch hinter der Bühne und engagiere mich für kulturelle Teilhabe.“ – Und schon hab ich Werbung für alle meine drei Projekte gemacht.

2. Konzentriere dich auf eine Sache und mach diese richtig!

Ja, der Rat ist wirklich essenziell! Ich bin im Laufe der Zeit so viele Umwege in meiner künstlerischen Entwicklung gegangen und bin noch lange nicht dort, wo ich gern wäre. Obgleich ich teilweise seit Jahren weiß, was nötig wäre, um künstlerisch einen erheblichen Fortschritt zu erzielen, ist mir dieser bis dato noch nicht gelungen. Schuld daran sind u.a. die vielen verschiedenen Projekte, von denen ich mich immer wieder habe vom Fokus abbringen lassen. Womöglich aber auch, weil ich lange Zeit nicht wirklich wusste, welcher mein Fokus denn überhaupt sei. Dadurch, dass das Kindertheater viele Jahre den Lebensunterhalt sicherte,
stand es natürlich auf der Prioritätenliste entsprechend weit oben. Was zur Folge hatte, dass Showproben oder das Erarbeiten neuer Einlagen für unser Musikcomedy Programm über lange Zeiträume hinweg hinten herunterfielen. Dabei ist es aber genau diese Show, die mir stets am wichtigsten war und in gewisser Art und Weise das Herzstück von mitossi ist. Heute wünschte ich, dass ich bereits in der Vergangenheit entschieden hätte, diese zu meiner Priorität zu machen und entsprechend Arbeit hineinzuinvestieren, denn dann wäre ich heute wesentlich weiter.

Daher kann ich dir wirklich ans Herz legen, falls du zwei künstlerische Projekte hast, die sich von Grund auf unterscheiden, dann entscheide dich für eines, mach dieses zu deiner Priorität und widme diesem deine ganze Zeit und Energie. Nur so kannst du in absehbarer Zeit richtig gut werden und damit etwas erreichen. Alles andere zieht es nur unnötig in die Länge und wird Umwege bedeuten.

3. Nimm jede Bühne mit, die sich dir bietet!

Hier will ich jetzt sehr ehrlich sein. Es gab eine Zeit, da stand mir mein Ego künstlerisch extrem im Weg. Bereits zu Beginn hatte ich eine ziemlich genaue Vorstellung, auf was für Bühnen ich auftreten wollte und auf welchen nicht. Viele kleine Orte, Dorffeste oder heruntergekommene Clubs wurden von mir grundsätzlich als „Spelunken“ abgetan und gemieden. Ich hatte das Gefühl, dass ich bzw. meine Performance in einen glamourösen Rahmen gehöre.
Dadurch habe ich viele Auftritte ausgeschlagen, Geld liegen lassen und – das ist das Entscheidende – habe die Bühne nicht genutzt, um mich künstlerisch weiterzuentwickeln.

Es ist schön und gut hoch hinauszuwollen, ambitionierte Ziele zu haben und ein gesundes Ego – aber zu Beginn ist es als Liveperformance-Künstler*in entscheidend, dass du viel und häufig vor Publikum spielst. Am besten täglich! Denn nur dann kannst du richtig gut werden.
Jede Bühne ist es wert, mitgenommen zu werden – das weiß ich heute.

Ich rate dir also, stell dein Ego unbedingt hinten an, Sch*** auf die Location, mach dein Ding, spiel für die Menschen – nur dann kannst du dich wirklich weiterentwickeln.

4. Lass dir den Spaß nicht durch die äußeren Umstände kaputt machen!

Den Spruch würde ich mir heute gern an die Stirn tackern. Ihr könnt euch nicht vorstellen, welch emotionale Berg- und Talfahrten ich im Laufe der Zeit ganz besonders in Bezug auf meine Showfigur durchgemacht habe. Es gab so viele Momente, nach missglückten Auftritten oder bescheidenem Feedback aus dem Publikum, da hätte ich am liebsten das Handtuch geschmissen und mir ’nen Job als Lamazüchterin in Ecuador gesucht. Glücklicherweise ist mein Partner auch noch da und lässt es sich nicht nehmen, ein Wörtchen mitzureden. Womöglich ist er der Grund, weshalb ich den Bums noch heute mache – und mir so langsam meine Freude zurückhole.

Liebe Leute, es wird schlechtes Feedback regnen, ihr werdet mit A*löchern zu tun haben, ihr werdet schnell lernen, Kunden oder Publikum sind nicht eure Freunde, sondern häufig gnadenlos unverschämt und respektlos. Wenn ihr in der Kreativwirtschaft unterwegs seid und euch als Dienstleister anbietet, dann werdet ihr auch als solche behandelt werden. Das wird an euren Nerven zehren. Es wird zur Zerreißprobe. 

Daher mein Rat: lasst euch durch nichts und niemanden auf der Welt den Spaß an der eigentlichen Sache – eurer Kunst – nehmen. Das gibt euch keiner wieder zurück. Euch die anfängliche Euphorie und den Spaß wieder zurückzuholen, ist ein langwieriger Prozess. (Ich spreche aus Erfahrung).

Heute hab ich verstanden, es war nie meine Kunst, die mich fertiggemacht hat, sondern die Umstände, unter denen ich diese Kunst gemacht habe. Das ist ein entscheidender Unterschied.
Umstände lassen sich ändern. Ein Grund, weshalb ich mich Anfang des Jahres neu erfunden habe.

In dem Sinne, keep on rocking!

Du bist Künstler*in und hast dich in obigen Punkten wiedererkannt? Dann lass uns doch gerne quatschen. Wenn du dich austauschen möchtest, dann sende mir gern eine Nachricht. 

Artista

Artista | Maria Chiariello

Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.

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