Planbarkeit - der Feind innovativer Denker*innen

Artista | Maria Chiariello

01. Mai 2024

Wieso wir uns von Erfahrungswerten, Belegen und Beispielen verabschieden sollten, wenn es um innovatives Denken geht

Würfel, planbarkeit
Ergebnisoffenheit bedeutet Risiko gehört dazu | Bild: Edge2Edge Media

Irgendwie irrwitzig, dass auf innovative Ideen grundsätzlich die Frage nach Erfahrungswerten und Praxisbeispielen folgt.

Wie sollte etwas komplett Neues Beispiele und Erfahrungen aus der Vergangenheit aufweisen können?

Auf diese Annahme stoßen innovative Denker*innen wie z.B. Wissenschaftler*innen, Forscher*innen und Kreative regelmäßig. Insbesondere, wenn sie mit Menschen in Kontakt kommen, die mit Visionär*innen gar nichts anfangen können und dessen Welt sich um Prognosen und Risikoabwägung dreht. 

Das, was innovative Köpfe dann ganz schnell lernen, ist, dass sie nicht nur innovative, komplett neue Ideen haben, sondern auch eine komplett andere Sicht auf die Dinge. Was für sie glasklar ist, muss z.B. großen Teilen der Wirtschaft erst schonend nahegebracht werden.

Innovationen setzen innovatives Denken voraus

Innovatives Denken zeichnet sich aus Risikobereitschaft, Ergebnisoffenheit und dem  Verständnis aus, dass eine innovative Idee sich zu Beginn nicht belegen oder ihre Ergebnisse vorhersagen lassen, weil es in der Natur der Sache liegt: innovativ = neu = unerprobt.

Kreativschaffende, Künstler*innen und Innovator*innen planen und prognostizieren in der Regel nicht. Und darin liegt – wie häufig von linearen Denkern unterstellt – KEINE Schwäche, sondern ein riesiges Potenzial. Ein offenes Denken macht uns empfänglicher für (kreative) Lösungen, auf die wir sonst nicht gekommen wären.

Vielleicht liegt die Herausforderung von Innovation auch gerade darin, dass erst das Bewusstsein und die richtige Einstellung im Gegenüber vorhanden sein (oder etabliert werden) müssen, um eine Basis herzustellen, auf der sich etwas Neues aufbauen lässt.

Die Wirtschaft ist leider zu großen Teilen noch lange nicht so innovationsfreundlich, wie sie gerne sein möchte. Denn heute noch dominiert das Denken einer profitorientierten Leistungsgesellschaft, welche Erfolg an den beiden Parametern Produktivität und Skalierbarkeit festmacht. Eine wertebasierte Betrachtungsweise ist immer noch selten und eher in Sozialunternehmertum oder NGOs zu finden. 

Planbarkeit erstickt innovatives Denken im Keim

Cross-over-Projekte sind eine Chance, synergetisch Potenziale aus Kreativität und Unternehmergeist zu schöpfen. Doch werden solche Projekte im Keim ersticken, wenn man versucht, sie ins Korsett von Planbarkeit zu stecken.

Kein kreativer Geist möchte hören, dass seine innovativen Ideen erst bewiesen werden müssen, um umgesetzt werden zu können. Ergebnisoffenes Arbeiten ist bedingungslos! Das ist die Basis, um überhaupt den Zugang zu diesem Feld zu schaffen.

Fehlende Beispiele sind nicht das Problem, sondern dass alles aus der Brille der Wirtschaftlichkeit betrachtet wird

Auch im innovativen Bereich gibt es immer vergleichbare Modell-Projekte. Das Problem dieser liegt aber häufig darin, dass diese Projekte häufig als „Experimente“ abgetan werden und meist nur eine begrenzte Zeit „ausprobiert“ werden. Fälschlicherweise wird dann der Rückschluss gezogen, dass die Projekte gescheitert oder nicht zukunftsfähig seien.

Die traurige Wahrheit ist aber in den häufigsten Fällen, dass solche Konzepte aus finanziellen Gesichtspunkten – größtenteils früher als später – eingestampft werden.
Viele Pilotprojekte aus der Kultur werden durch Fördertöpfe des Bundes, Stiftungen o.ä. finanziert und erwirtschaften selbst nichts (oder lassen sich nicht/ nicht schnell genug monetarisieren).

Wie definiere ich Erfolg?

Wenn die „Wirtschaftskraft“ der einzige Parameter ist, den ich ansetze, dann scheitern die Projekte natürlich und werden als „nicht erfolgreich“ deklariert. Wenn ich Erfolg aber anders definiere und die finanzielle Komponente ausklammere, dann sind diese Projekte selbstverständlich erfolgreich und von sehr großem Wert!

Kurzum: sie sind erfolgreich, aber eben nicht wirtschaftlich. Sie bringen meist wertvolle, ideelle Ergebnisse, können aber auf lange Sicht dennoch nicht in dem wirtschaftlich-kapitalistischen System bestehen, in welchem wir uns bewegen. Die Herausforderung liegt also auf der strukturellen Ebene. 

Es ist also schlichtweg falsch anzunehmen, dass eine neue Sache keinen Erfolg bringe, weil es (noch) keine Referenzwerte gäbe. Nur weil es noch keine Beispiele gibt, heißt das nicht, dass etwas scheitern wird. Es heißt lediglich, dass nichts Bestimmtes garantiert werden kann!

Schnittstellen sind wichtig

Wirtschaft täte gut daran, ihr Gerüst nicht auf Sicherheit und vermeintlichen „Garantien“ aufzubauen. Prognosen und das Vermeiden von Risiken ist in Anbetracht der sich stetig verändernden globalen Geschehnisse, keine zukunftsträchtige Basis. Nur wer die Volatilität anerkennt, der lernt flexibler auf Krisen und Veränderungen zu reagieren.

Was bedeutet das für Künstler*innen & Kreative?

Kontroverse Bereiche wie z.B. Kunst/Kultur & Wirtschaft können viel voneinander lernen, wenn sie bereit sind sich füreinander zu öffnen. Sie müssen dafür lernen, den jeweils anderen zu verstehen. Veränderung lässt sich nicht allein erreichen, sondern resultiert stets aus einer Bündelung von verschiedenen, vielfältigen Kräften. Das zumindest lässt sich hinreichend belegen, sobald wir einen Blick in die Geschichte werfen. 

Aus diesem Grund habe ich mir auf die Fahne geschrieben, an ebendieser Schnittstelle zu wirken und so eine Brücke zwischen künstlerischen und unternehmerischen Fertigkeiten zu bauen. Ich verbinde Kunst und Wirtschaft, kläre mal den einen, mal den anderen Bereich auf und plädiere für interdisziplinären Austausch, sowie gemeinsame Synergien. 

Fazit: Synergien sind der Schlüssel

Ich habe es einmal wie folgt formuliert: Wirtschaft plant, prognostiziert und sichert ab, während Kunst hinterfragt, provoziert und anstößt. Wenn beide ihre Kräfte bündeln, dann können tolle Dinge entstehen. Persönlich glaube ich, dass ein Paradigmenwechsel gut täte, bei dem die Potenziale von künstlerischen Herangehensweisen gesehen und verstanden werden. Vieles mag in der Wirtschaft gut funktionieren und „seinen Gang gehen“, doch dies gilt nicht für immer. Unsere Welt wird immer komplexer und Krisen nehmen zu: es bedarf für diesen Fall kreative und praxisorientierte Lösungen. Skalierbarkeit und Prognosen werden uns nämlich (alleinig) nicht nützen.

Es gibt immer wieder positive Beispiele künstlerischer Interventionen, die beweisen, dass Arbeit an Schnittstellen, das Verbinden kontroverser Bereiche immer wichtiger wird. Sei es z.B. Aktionskunst, welche mit Plakaten/Bildern/Fotografien auf wichtige Themen aufmerksam macht. In der Städteentwicklung z.B. werden urbane Gärten kreiert. Installationen dienen dazu, historische Orte sichtbarer zu machen. Generell eröffnen künstlerische Interventionen den Blick über den Tellerrand – für alle Menschen. 

Weitere „Best Practice“ Beispiele aus Organisations-, Personal- und Produktentwicklung aus einem Cross-over-Projekt könnt ihr hier einsehen: Interventionen in Unternehmen, Kultur, Wirtschaft 

Es zeigt einmal mehr, wie wichtig innovative Denker*innen für unsere Gesellschaft sind; wie wichtig Künstler*innen, Kreative für unser aller Zusammenleben sind. Ihr Wert mag womöglich zu Beginn nicht sichtbar erscheinen, doch letztlich ist er von unschätzbarem Wert und darf in einem gesunden System nicht fehlen. 

Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 26. April 2022 auf meiner – zu dem Zeitpunkt noch – Hauptseite www.maria-chiariello.de. Er wurde nun von mir überarbeitet und erweitert. 

Artista

Artista | Maria Chiariello

Ich bin Berufskünstlerin und Mentorin. Hier schreibe ich über künstlerisch-kreatives Potenzial in beruflichen Kontexten. Ich freue mich, wenn ich inspirieren kann.

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